Museumsmoden

Ich denke, es ist hinlänglich bekannt, dass es in der Wissenschaft genau wie überall Moden gibt. Eine finde ich gerade aktuell ziemlich bescheuert.
Wenn man vor hundert Jahren eine alte griechische Statue fand, dann versuchte man, die fehlenden Teile zu rekonstruieren. Das ist sicher recht häufig gründlich schief gegangen und in der wissenschaftlichen Untersuchung solcher Artefakte lässt man solche versuchten Reparaturen natürlich außer acht. Aber wenn man die sozusagen fertig erforschte Statue dann ins Museum stellt finde ich, dass es der Sache keinen Abbruch tut, die fehlenden Teile durch gut geschätzte Prothesen zu ersetzen.
Und ich würde es auch sehr begrüßen, wenn man mal die eine oder andere antike Skulptur so ausstellen würde – gerne auch in Kopie – wie der Künstler sie eigentlich geplant hat. Nicht irgend welche weißen gespenstartigen Kreaturen mit verstümmelten Gliedmaßen und abgebrochenen Nasen, sondern Idealgestalten in kräftigen Farben bemalt, wie sie der antike Hellene sich in den Tempel gestellt hätte.
Der Anlass meiner Tirade ist mein gestriger Besuch im Pergamonmuseum. Dort hatte ich vor vielen Jahren mein erstes echtes religiöses Erlebnis, das ziemlich prägend für mein weiteres Leben war. Damals stellte man noch Statuen aus, die von Restauratoren liebevoll ergänzt worden wahren, um wenigstens ansatzweise ihre frühere Pracht wieder auferstehen zu lassen.
So zum Beispiel die Statue der Athene bei deren Anblick mich das Gefühl bekam, ganz wirklich und real einer Gottheit gegenüberzutreten – genau wie es wohl auch vor über 2000 Jahren einem Bürger Pergamons beim betreten des Tempels gegangen ist. Athene ist seit dem die Nummer 1 in meinem persönlichen Pantheon. Naja Nummer 1,5. Die 1 gehört der wirklich besten Ehefrau der Welt 😉
Gestern wollte dieses Gefühl nicht aufkommen, als ich die grauselig verstümmelten Überreste der Ehrfurcht einflößenden Skulptur sah. Die freundliche Stimme auf dem Audio-Guide erklärte mir dann, dass bei der letzten Restauration die nachträglich angefügten Teile entfernt und nur genug hinzu gefügt wurde, um die Statue am umkippen zu hindern.
Wirklich, eine tolle Leistung von Herrn Dr. Scholl und seinem Team, die hier wunderbar präsentieren, wie sch… eine Statue nach 2 Jahrtausenden aussehen kann und nicht den geringsten Gedanken daran verschwenden zu zeigen, wie phantastisch antike Kunst ausgesehen haben könnte.
Wenigstens hat mich die Sonderausstellung „Berlins geheimer Olymp“ etwas versöhnt, weil hier sehr schöne Skulpturen zumindest mit Beleuchtung und Hintergrund äußerst fotogen in Szene gesetzt sind. Da hab dann auch ich ein paar sehr nette Fotos hin bekommen.

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